In unseren Archiven fand sich eine beträchtliche Anzahl von Musikstücken und Liedern in ukrainischer Sprache, die das Kasbek-Ensemble zum Teil vor Jahrzehnten bei passender Gelegenheit zum Vortrag gebracht hatte. Davon liegt manches als Studioaufnahme vor, viel mehr noch aber wurde in den Jahren zuvor in Kneipen oder bei Konzerten mitgeschnitten. Die historischen Aufnahmen stammen von 1975 (Zillemarkt, Berlin-Charlottenburg) und 1984 (Schloss Kaltenberg bei München), wie auch 1985 in der Kulturkneipe „Zweischlingen“ bei Bielefeld. Neben den wohlbekannten noch heute aktiven Interpreten hören wir die Stimmen von Matthias Krech (nicht mehr auf dieser Welt) und Fanja Zycha (jetzt Ensemble Saranda), ferner auch den Münchner Gitarristen Fredo Erber, der mit seinem mittlerweile leider verstorbenen Bruder Mauko Erber und unserem Geiger Frieder Breitkreutz als »Trio Bessarabia« Weltmusik spielte.
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OJ PIJDU JA SHIKKER-WIKKER |
1. Oj pijdu ja shikker-wikker
Volkstanz im typischen Stil der „Kolomyjka“ mit dazwischengerufenen witzigen Couplets, die sich auf die Tanzenden beziehen und sie anfeuern. Eine Aufnahme des Geigers Pavlo Humenjuk, Chicago der 1930er-Jahre, wurde in das Repertoire vieler Klezmermusiker übernommen und bezeugt, dass ein nicht unbeträchtlicher Teil dieses Genres offenbar der Musik ukrainischer Holzfäller und Hirten der Karpatenregion entstammt. Es gab auch Einflüsse in umgekehrter Richtung. Daher der andere Titel „Tanzt Jidelach“, der auf Abe Schwartz zurückgeht. Der Text, den Frieder vorträgt, ist nach Aussage von Münchner Exil-Ukrainern original Karpatendialekt. Zu der Frage, wie das jiddische Wort „schikker“ (betrunken) da hineingeraten ist, blieben die Experten ratlos.
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OD KYJEWA DO LUBEN |
2. Od Kyjewa do Luben
Eine eher fantasievoll-scherzhafte Vorstellung eines Gewaltmarsches von Kiew in die Orte der Umgebung, bei dem am Ende die Sohlen von den Schuhen fliegen. Nebenbei geht es auch um „konopel“, was den oder das (?) „Hanf“ bedeutet. Der weitere Kontext hierzu bleibt unklar. Wie man weiß, ist allenthalben in Europa eine gewisse Portion Non-Sense in der Volksmusik keineswegs verpönt.
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OJ NECHODY HRYCJU |
3. Oj nechody Hrycju
Solist Matthias Krech. Eine alte Ballade zu einem Volkmärchen. Hrycj (= Gregor) verfällt beim mystischen Tanz im Wald dem Zauber einer „diwka-tschariwnycja“, einer Art Elfe. Der Text stammt von einem ukrainischen Bandura-Chor in München. In der Ukraine scheint das Lied kaum noch bekannt zu sein. Sehr gut hingegen in den USA, als „Yes my darling daughter“ mit jüdischem Kontext.
Der wuchtige Refrain „Lutsche bulo nechodyla...“ gehört zu einem bekannten Kosakenlied („Jichau kozak za Dunaj“), und ist eine Zutat aus der deutschen Jugendbewegung, mit der etwas Temperament in das eher elegisch angelegte Poem eingebracht werden sollte.
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ZASVYSTALY KOZATSCHENKY |
4. Zasvystaly Kozatschenky
Die Kosaken reiten nachts aus dem Dorf in den Krieg und pfeifen zum Abschied. Mütter, Töchter und andere Liebende nehmen weinend Abschied. Die wohlbehaltene Rückkehr der Männer erscheint keineswegs gewiss.
Besinnliche Kriegslieder ohne nationales Pathos und zwanghaftes Beschwören von Siegeszuversicht sind – vielleicht unerwartet – ein häufiger Charakterzug im Liedgut Russlands, ebenso der Ukraine.
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SCHOJ U POLI KRYNYTSCHENKA |
5. Schoj u poli krynytschenka
Ein Paar trifft sich am Brunnen auf dem Feld. Sie stellt fest: „Roman tschornyj a ja kara, zvytschajemosj budem para.“ „Roman ist schwarz und ich bin braun. So gewöhnen wir uns daran, ein Paar zu werden“. Text und den vierstimmigen Satz übernahmen wir einst von einer Jugendgruppe in München.
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TREPAK |
6. Trepak
Ein ukrainischer Tanz (auch tropak), vom russischen Komponisten Boris Dobrochotoff einst für Balalaika-Orchester komponiert. Möglicherweise haben wir oder die Kollegen vom Berliner Schastroff-Ensemble noch ein paar eigene Ideen in diese recht lange Nummer eingebaut. Das Stück ist seit mehr als 30 Jahren aus unserem Repertoire verschwunden, warum weiß keiner.
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OJ NASTUPYLA TA TSCHORNA CHMARA |
7. Oj nastupyla ta tschorna chmara
Noch ein vierstimmiges A-capella-Lied, Quelle M. Krech. Die drohende „schwarze Wolke“ steht für eine Gruppe rauhbeiniger Trinker, die in der Schenke wissen lassen: „A chto z nas bratja bude smijatjsja, toho budem bytj.“ „Wer sich über unsere Bruderschaft lustig macht, den verprügeln wir.“ Na dann: „Na zdorou‘ja wsim!“
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HRETSCHANYKY |
8. Hretschanyky (Hop majne homentashn)
Ein jiddisches Lied zu einer bekannten ukrainischen Melodie. Hretschanyky sind Teigtaschen aus Buchweizenmehl, die bei Juden auf Jiddisch „Homentaschn“ bzw. „Hamantaschen“ heißen und mit einer süßen Füllung zum Purimfest gereicht werden. An Purim wird an die Errettung der persischen Juden vor dem bösen Haman gedacht. Dieser Haman war Minister am Hof des persischen Königs Xerxes und dessen jüdischer Frau, der Königin Esther, die sich für ihr Volk mit majestätischer Bravour einsetzte. Haman fiel bei seinem Herrn in Ungnade, die Form der Teigtaschen soll auf dessen Hut (oder auf seine Ohren) Bezug nehmen. (Aufnahme von 2009 im Studio Dr. Heinze)